Was weiß man ohne nachzuschlagen von Piemont? Dass Turin die Hauptstadt ist, dort das Grabtuch Christi verwahrt und Juventus immer wieder italienischer Fußballmeister wird; dass es Wein und Trüffel gibt und dass Piemont irgendetwas mit der Vereinigung Italiens zu tun hat.
Um dieses Wissen zu erweitern und zu vertiefen, führten unser Bbr. Eberhard Gräf und dessen Gattin Bernhild, die diese 21. Gothenreise professionell organisiert hatten, ein aus 27 Personen bestehendes Gothenfähnlein vom 30. Mai bis 5. Juni nach Piemont. Diese durften einen kulturellen Dreiklang erleben: den sichtbaren Ausdruck der Geschichte, köstliche Speisen, herrliche Weine und dies alles in einem gesegneten Landstrich. Die vielen sanften Rebenhügel in der Weingegend von Barolo und Asti sind fast alle von einer Burg oder einem Schloss gekrönt, häufig im 14. oder 15. Jahrhundert erbaut und im 18. Jahrhundert umgebaut und barock ausgestattet. Gott wurde dabei nicht vergessen; denn neben fast jeder dieser gräflichen Anlagen erhebt sich eine Kirche. Diese Bauwerke gaben unserer kompetenten Führerin die Möglichkeit, die Geschichte Piemonts aufleben zu lassen. Eindrucksvoll die Abtei von Vezzolano, ein romanisches Denkmal von höchster Qualität mit einem Lettner, auf dem Marienszenen und der Stammbaum Mariens dargestellt sind, und einem Kreuzgang mit wertvollen Freskenresten aus dem 13. und 15. Jahrhundert! Ähnlich beeindruckend die Kapelle S. Giorgio in Villar San Constanzo mit Fresken aus dem 15. Jahrhundert und einer Krypta mit drei Schiffen und den dazugehörigen Apsiden, die aus dem 8. Jahrhundert stammt und wohl die erste Kirche einer Abtei war. Großartigen Barock fanden wir in der Marienwallfahrtskirche von Vicoforte, die von einer riesigen, ellipsenförmigen Kuppel bekränzt wird.
Unsere Bleibe, das Hotel Albergo Dell´ Agenzia in Pollenzo, einem Stadtteil von Bra, untergebracht in einem Teil einer großzügigen, ehemaligen Residenz eines piemonteser Königs aus dem Haus Savoyen, bescherte uns die Nachbarschaft zu der von Slow Food gegründeten und betriebenen Universität für gastronomische Wissenschaften, die im gleichen Gebäudekomplex untergebracht ist. Die Stadt Bra ist der Sitz von Slow Food. Es war daher kein Wunder, dass die Hotelküche uns Vorzügliches bot. So gab es u.a. Filet vom weißen Fassona-Rind oder Carpaccio vom Fassona-Kalb mit einer schmackhaften Sauce. Die Pasta schmeckte immer köstlich. Bei zwei Weinproben konnten wir piemonteser Weine versuchen. Von den „Roten“, dem Barbera d´ Asti und dem Barolo waren wir sehr angetan. Dazu wurde zartes Kassler mit Artischocken, Kalbscarpaccio mit Selleriestückchen in einer feinen Olivenöltunke, exquisiter Käse und Schinken serviert. Und wir sangen „In jedem vollen Glase Wein“. Die Stimmung hätte nicht besser sein können.
Ein Erlebnis besonderer Art war die Trüffelsuche in einem Wäldchen in der Nähe der Trüffelhauptstadt Alba. Der „Suchhund“ erschnüffelte rasch die gesuchten Schätze. Mit vier schwarzen Trüffeln kehrten wir in das Anwesen des Trüffelsuchers zurück und konnten dort diese Köstlichkeiten – fein gehobelt – auf hausgemachtem Frischkäse genießen. Die Stadt Alba besitzt einige mittelalterliche Geschlechtertürme und den ursprünglich romanischen Dom, der, wie es für die Gegend charakteristisch ist, aus Backsteinen errichtet und mehrmals umgebaut wurde.
In Casale Monferrato war das Highlight der fünfschiffige romanische Dom, ein Juwel romanischer Baukunst, mit einem herrlichen Holzkreuz aus dem 12. Jahrhundert, das mit Gold und Kupfer überzogen und mit vielen Edelsteinen besetzt ist.
Natürlich besuchten wir auch die Hauptstadt Turin und erfuhren dort bei einer interessanten Stadtführung viel über das Haus Savoyen und dessen Bedeutung für die Einigung Italiens. Ehrfurchtsvoll verweilten wir im Dom vor dem Behälter, in dem das Grabtuch Christi aufbewahrt wird.
Die abwechslungsreiche Landschaft des Langhe-Gebiets mit seinen anmutigen Hügeln voller Reben und den Haselnussplantagen in der Ebene konnten wir vom Park in der Oberstadt von Mondovi aus bewundern. In einer gemütlichen Trattoria auf der malerischen Piazza Maggiore überdauerten wir bei Pasta und „vino dolcetto“ einen heftigen Gewitterregen.
Von dieser sehr schönen Reise wäre noch manches zu berichten. Es war eine echte Genussreise für Leib und Seele. Und die Reisegruppe passte: sie war harmonisch, wissbegierig, ausdauernd, fröhlich, in Art und Zusammensetzung so, wie man sich selbst eine Gruppe zum Wohlfühlen zusammenstellen würde. Und jeder konnte von diesen Tagen vieles mit nach Hause nehmen und zwar nicht nur die Weinflaschen, die Käsepakete, die Haselnusssäckchen und die Schinkenstücke, die im Bauch des Omnibusses noch reichlich Platz fanden, sondern auch viel Zwischenmenschliches und Wissenswertes.
Unser Dank gilt Bbr. Eberhard Gräf und seiner Gattin Bernhild. Wir alle freuen uns auf die 22. Gothenreise im nächsten Jahr.
Geschrieben von: Bbr. Wolfgang Schineis