Bbr. André Muthig absolvierte im Wintersemester 2016/17 ein Erasmus-Auslandssemester in Krakau. Hier berichtet er von diesem:
Der wohlhabende Westen und der sonnige Süden sind für die Durchführung eines Erasmus-Auslandssemesters die beliebtesten Ziele. Es muss aber nicht immer England oder Frankreich sein, auch ein Studienaufenthalt im Osten kann sich sehr lohnen. In diesem Bericht möchte ich euch deshalb einige Aspekte meines Erasmus-Auslandssemesters schildern, welches ich in Krakau/Polen verbracht habe.
Meine Motivation
Es gab viele Gründe für mich, mein Auslandssemester in Krakau zu verbringen. Selbstverständlich sind in den osteuropäischen Ländern die Lebenshaltungskosten sehr niedrig. Auch war es für mich ein besonderer Anreiz, meine „Überlebensfähigkeiten“ in einem Land zu beweisen, dessen Sprache ich nicht beherrsche. Außerdem wollte ich einen, wenn auch kleinen, Beitrag leisten, das Verhältnis zwischen Ost und West zu verbessern: Die aktuelle politische Situation in Polen führt zu einem Erstarken der Populisten und einem politischen Rechtsruck im Land. Hoffnung liegt vor allem in der jungen Generation. In vielen Gesprächen mit jungen Polen konnte ich die Abneigung gegen die momentane Regierung und den Wunsch, etwas zu verbessern, spüren. Nun aber genug von Politik. Ich habe mich nämlich auch durchaus freiwillig und sehr gerne in Krakau aufgehalten.
Kultur und Freizeit
Besonders kulturell hat Polen und v.a. Krakau einiges zu bieten. Die hier zu sehende Markthalle bildet das Zentrum des größten Marktplatzes Europas. Besonders interessant ist auch die Jagiellonen-Universität, welche auf eine 650-jährige Tradition zurückblickt. Sogar der für die Polen so wichtige Papst Johannes Paul II. studierte und lehrte dort. Im Süden der Innenstadt befindet sich, ehe man in das jüdische Viertel gelangt, der Wawel, welcher lange Zeit den polnischen Königen als Residenz diente. Erst als König Sigismund III. 1595 bei seinen alchemistischen Experimenten den Palast niederbrannte, wurde der Königssitz – und damit die Hauptstadt – nach Warschau verlegt.
Wenn man in Krakau ist, sollte man der nahegelegenen Salzmine einen Besuch abstatten. Auch das Konzentrationslager Auschwitz, das mit seinem enormen Ausmaß die Schrecken der NS-Herrschaft aufzeigt, ist von Krakau aus in knapp einer Stunde zu erreichen. Es gibt viele Orte, die zwar von Krakau weiter entfernt sind, sich aber für einen Wochenendausflug anbieten. Zum Beispiel die Belaer Tropfsteinhöhle in der Slowakai zusammen mit dem Touristenort Zakopane, der besonders bei Skifahrern beliebt ist. Auch in der tschechischen Hauptstadt Prag, dem altehrwürdigen Breslau und dem modernen Warschau habe ich jeweils ein Wochenende verbracht. All diese Orte waren für mich dank einer sehr guten Bahn-/Busanbindung sehr einfach und vor allem günstig zu erreichen. Eine genaue Beschreibung all meiner Ausflüge würde hier zu lange dauern, kann aber gerne in einem Privatgespräch von mir erfragt werden.
Wie ich feststellte, ist die Kultur unseres Nachbarlandes ebenso vielschichtig und spannend wie die deutsche. Von Krakau über Breslau, Warschau und die ländlichen Teile Polens besitzen alle Orte einen eigenen Charakter. Sehr gerne werde ich einmal, allerdings dann in einem Sommer, zurückkommen, um Danzig und seinen Ostseestrand zu besuchen.
Mein Praktikum
Nun kurz zu dem, weswegen ich eigentlich in Krakau war: meinem Praktikum. An der sehr großen Fakultät für Chemie der Jagiellonen-Universität arbeitete ich im Arbeitskreis von Prof. van Eldik, der an der Aktivierung kleiner Moleküle forscht. Die Tragweite dieser Forschung wird dem Laien vor allem klar, wenn es um die Aktivierung von Stickstoff zur Düngemittelgewinnung oder um die Aktivierung von Kohlendioxid geht, um sowohl gegen den Klimawandel vorzugehen, als auch eine wertvolle Feinchemikalie zu gewinnen. Allerdings ist auch in medizinischer Hinsicht die Aktivierung kleiner Moleküle wichtig. Ich z. B. beschäftigte mich mit der Aktivierung von HNO, das neben NO ein wichtiges Messenger-Molekül ist. Zentral war hierbei vor allem das Reaktionsverhalten mit einem Modellkomplex, der ein Metallzentrum eines Enzymes simulierte.
Nachdem ich nun Krakau und meine Zeit dort beleuchtet habe, möchte ich noch kurz auf einige andere, das Erasmus-Auslandssemester betreffende Aspekte eingehen:
Wie lässt sich ein solches Auslandssemester finanzieren? Das Erasmus-Programm zahlt neben den Studiengebühren (die es in Polen allerdings nicht gibt) jedem Studierenden monatlich eine Pauschale, die landesabhängig ist und für Polen 150 € beträgt. Allerdings deckte dieser Betrag nur knapp die Miete, die ich für meine kleine, etwas außerhalb gelegene Wohnung zahlte. Beträchtlicher ist das durch das BAföG zu erhaltende Geld von bis zu 750 € monatlich. Dessen Erhalt könnte auch für Studenten, die kein Inlands-BAföG erhalten, möglich sein, da die Anforderungen geringer sind.
Sollte man die Landessprache erlernen, und wie am besten? In Polen angekommen stellte ich erstaunt fest, dass an zentralen Stellen wie Postfilialen tatsächlich niemand in der Lage war, mir auf Deutsch, Englisch oder Französisch zu helfen. Es bietet sich also an, einen Sprachkurs während oder besser vor dem Aufenthalt zu absolvieren. Ich habe etwas Polnisch durch die App Duolingo bzw. mithilfe meiner Tandempartner gelernt, welches mir später ermöglichte, den Alltag außerhalb der Uni zu bestreiten. Leider ist das Studium der Sprache, wegen der vielen Fälle und dem daraus resultierenden Übermaß an Endungen, eher frustrierend.
Wie verbringe ich meine Freizeit und Wochenenden? Es empfiehlt sich in jedem Fall, dem ESN (Erasmus Student Network) der jeweiligen Hochschule beizutreten. Viele der von mir unternommenen Ausflüge wurden von diesem organisiert. Neben dem günstigen Reisen und den ausgefallenen Veranstaltungen, die dieses Netzwerk bietet, kann man so auch Freunde finden, die einen durch das ganze Semester begleiten. Mit den so gewonnenen Freunden oder seinen Mitbewohnern kann man dann – das bietet sich in Osteuropa an – sehr günstig die Abende verbringen. So kann man ein Bier in einer Kneipe zumeist bereits für 1 € erwerben.