„‘Unser Glaube ruht auf Felsengrund‘ – Bischof Matthias Ehrenfried und sein Einsatz für die Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus“
Cbr. Prof. Dr. Wolfgang Weiß (ChW) – 23.10.2018
2018 jährte sich zum siebzigsten Mal der Todestag unseres Bundesbruders Bischof Matthias Ehrenfried (1871-1948). Aus diesem Anlass gab es im Bistum Würzburg zahlreiche Gedenkveranstaltungen. Auch unsere Gothia leistete hierzu einen Beitrag mit einem Vortragsabend, der in Kooperation mit den Würzburger Stipendiatengruppen von Hanns-Seidel- und Konrad-Adenauer-Stiftung stattfand. Nicht zuletzt deshalb war die Veranstaltung ausgezeichnet besucht. Als Referenten konnten wir Cbr. Prof. Dr. Wolfgang Weiß (ChW), Inhaber der Professur für Fränkische Kirchengeschichte und Kirchengeschichte der neuesten Zeit an der Universität Würzburg, gewinnen.
Cbr. Weiß ist durch viele Veröffentlichungen als Spezialist für sein Vortragsthema ausgewiesen. Ihm gelang es, ein lebendiges und farbiges Bild von Matthias Ehrenfried zu entwickeln, der aus heutiger Perspektive eine bisweilen widersprüchlich und befremdlich wirkende Persönlichkeit, gleichwohl aber eine der großen Würzburger Bischöfe des 20. Jahrhunderts war und sich große Verdienste als Mann des Widerstands gegen den Nationalsozialismus erwarb. Cbr. Weiß machte deutlich, dass man Ehrenfried als Mensch seiner Zeit und auch als Repräsentant des damaligen Kirchenverständnisses, das sich seit den 1960er Jahren fundamental gewandelt hat, sehen muss. Insofern plädierte er für einen verstehenden Zugang zu Leben und Werk des Bischofs. Matthias Ehrenfried stammte aus dem mittelfränkischen Absberg und war zeitlebens stolz auf seine bäuerliche Herkunft. Sein späteres Bischofswappen zeigte deshalb Sichel und Ähren, letzteres auch eine Anspielung auf seinen Namen. Ehrenfried studierte Theologie am Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom und wurde 1898 dort zum Priester geweiht. Cbr. Weiß wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dieser Bildungsweg um 1900 für einen Theologen nicht unbedingt eine Empfehlung war, weil den „Römern“ an deutschen Universitäten als Folge des Kulturkampfs häufig mit Misstrauen begegnet wurde. 1906 erhielt Ehrenfried einen Lehrstuhl für Neues Testament und Apologetik, später auch für Homiletik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Eichstätt. Hier kam er auch erstmals in Berührung mit dem Verbindungswesen: Bereits 1901 war er, damals noch Seelsorger und Lehrbeauftragter am Eichstätter Lyceum, Mitglied der KV-Verbindung Academia Eichstätt geworden, die 1910 ihren Sitz nach Würzburg verlegte und dort den Namen Rheno-Frankonia annahm. Am 1. Oktober 1924 ernannte Papst Pius XI. Matthias Ehrenfried zum Bischof von Würzburg, am 1. Dezember wurde er im Dom geweiht. Am 1. Februar 1927 wurde er Hoher Protektor und damit Ehrenmitglied unserer Gothia, außerdem war er noch Ehrenmitglied bei Franco-Raetia und Markomannia. Die Amtszeit Matthias Ehrenfrieds stellt für das Bistum Würzburg eine heute gar nicht mehr vorstellbare Expansionsphase dar: Ca. 1000 Priester wurden von ihm geweiht und etwa 100 Kirchen neu gebaut, darunter in Würzburg etwa die Klosterkirche Mariannhill, Unsere Liebe Frau im Frauenland oder Heilig Kreuz in der Zellerau; offiziell eingeweiht wurde von ihm auch Sankt Adalbero in der Sanderau. Cbr. Weiß betonte, dass Matthias Ehrenfried in jeder Hinsicht ein konservativ denkender Mensch war. Das Ende der Monarchie 1918 war für ihn eine schwere Verlusterfahrung gewesen. Der aus der Revolution entstandenen Republik stand er zunächst mit Misstrauen gegenüber, lernte allerdings dann aber die demokratischen Freiheitsrechte, von denen eben auch die Kirchen profitierten, etwa durch die Abschaffung des Staatskirchentums, immer mehr schätzen und machte auf diese Weise seinen Frieden mit den gewandelten Verhältnissen. Sein Konservatismus führte ihn ab 1933 in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, den er als Irrlehre begriff und gegen den er die Freiheit der Kirche zu verteidigen suchte. Er kritisierte das Regime immer wieder öffentlich und zog sich so den Hass der neuen Machthaber zu. Der Gauleiter Mainfrankens Otto Hellmuth, ein fanatischer Kirchenhasser, nannte ihn verächtlich „Störenfried“. 1934 wurde zweimal das bischöfliche Palais durch NS-Horden gestürmt. Das Regime wagte nicht, Ehrenfried zu verhaften, versuchte ihn aber durch eine Politik der Nadelstiche mürbe zu machen. Dieser ließ sich nicht einschüchtern, sondern er bemühte sich seinerseits, durch die demonstrative Neubelebung überkommender Formen traditioneller Frömmigkeit diese zu machtvollen kirchlichen Manifestationen bzw. Demonstrationen umzuformen, die den totalitären Anspruch des NS-Regimes konterkarierten. Sein größter Erfolg in diesem Zusammenhang war 1936 die Neuorganisation der Kiliani-Oktav und der Kiliani-Wallfahrt, die bis heute fortleben. Aus heutiger Sicht befremdlich sind affirmative Aussagen Ehrenfrieds zum soldatischen Dienst im Zweiten Weltkrieg, den er als treue Erfüllung der Pflicht für „Führer und Vaterland“ bejahte. Cbr. Weiß erklärte dies mit den tiefen Prägungen Ehrenfrieds aus der Zeit der Monarchie. Als Bischof und Patriot sei ihm im Angesicht des Krieges Loyalität zum Vaterland, nicht zum NS-Regime, selbstverständlich gewesen. Nach der Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 und dem militärischen Zusammenbruch gehörte Ehrenfried zu den prägenden Persönlichkeiten, die die Anfänge des Wiederaufbaus in Angriff nahmen. Bereits am 13. Mai 1945 veröffentlichte er seinen ersten Nachkriegshirtenbrief. Er genoss hohes Ansehen auch bei der US-amerikanischen Besatzungsmacht und fungierte hier immer wieder als engagierter Vertreter der Interessen seiner Diözesanen. Da der Dom zerstört war, diente die Neumünsterkirche ersatzweise als Kathedrale. Dort, in der Kiliansgruft, wurde Bischof Matthias Ehrenfried auch begraben, nachdem er am 30. Mai 1948 in Rimpar, wohin Teiles des Juliusspitals ausgelagert worden waren, nach kurzer Krankheit gestorben war.
Wir danken Cbr. Weiß für einen sehr interessanten Abend, der uns viele neue Einsichten über Bbr. Bischof Matthias Ehrenfried vermittelte. Bei belegten Brötchen, Bier, Wein oder alkoholfreien Getränken blieben die Zuhörer noch lange beisammen.
Literaturhinweise
- Wolfgang Weiß: „Es ist wieder einmal die große Stunde des Christentums“. Bischof Ehrenfried und Bistum Würz-burg im Jahr 1945, in: Kirche in Trümmern? Krieg und Zusammenbruch 1945 in der Berichterstattung von Pfarrern des Bistums Würzburg, im Auftrag des Diözesanarchivs Würzburg hg. v. Verena von Wiczlinski unter Mitwirkung von Petra Ney u. Verena Spinnler, Würzburg 2005, S. 49-74
- Wolfgang Weiß: „Unser Glaube ruht auf Felsengrund“. Matthias Ehrenfried 1871-1948 – Bischof von Würzburg 1924-1948 und sein Einsatz für die Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Maria Anna Zumholz / Michael Hirschfeld (Hg.), Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischöfe in der NS-Zeit, Münster 2018, S. 667-694
Autor: Prof. Dr. Matthias Stickler