„Niklaus kommt in unser Haus“
wäre schön gewesen, doch leider musste er dieses Mal draußen bleiben – die Corona-Verordnung machte seinem Besuch einen Strich durch die Rechnung. Und damit sind wir auch schon beim Thema: Kein lebender Gothe kann sich an einen Ausfall der alljährlichen traditionellen Nikolokneipe erinnern, es gab schlicht keinen seit unserer Wiederbegründung. Doch zunächst sah es so aus, als würde dieses Jahr eine traurige Premiere stattfinden. Die Lockerungen im Spätsommer ließen einen kleinen Hoffnungsschimmer zu, dass das Nikolowochenende in Präsenzform stattfinden könnte. Aller Bemühungen und Vermessungen zum Trotz wurde jedoch schnell klar, dass unser Kneipsaal schlicht viel zu klein ist, um eine Nikolokneipe mit über 100 Personen bei gleichzeitiger Einhaltung strenger Hygienerichtlinien zu ermöglichen. Mit viel gutem Willen hätten vielleicht 32 Personen Platz finden können. Auch alternative Örtlichkeiten wurden erfolglos geprüft. Schlussendlich wurde sich dafür entschieden die Nikolokneipe ausfallen zu lassen, wenn dafür dann zumindest das Nikolowochenende auf dem Gothenhaus stattfinden könnte. Dann stiegen die Inzidenzwerte wieder, die Corona-Ampel kam und schlussendlich der „Lockdown light“ als Sargnagel aller Präsenzveranstaltungen (mit Ausnahme von Gottesdiensten). Das Nikolowochenende war nun gestrichen. Ersatzlos? Nein! Eine im Frühjahr bereits verworfene Idee der Online-Kneipen wurde aus der Schublade geholt, um zumindest die Tradition der Nikolokneipe noch irgendwie zu retten. Statt in Vollwichs im Contrarium zu stehen, hieß es für unseren Senior Bbr. Pascal Wojnarski dann am 5. Dezember abends, am Laptop zu sitzen und den Schläger gegen die Computermaus zu tauschen. Praktischerweise beherrscht sein Mitbewohner Bbr. Severin Wallisch die Bierorgel und konnte für die musikalische Untermalung sorgen. Wie es ebenfalls Tradition ist, durfte auch dieses Mal der Consenior, Bbr. Alexander Mayr, präsidieren. Um die drei vor allem gesanglich zu unterstützen und gleichzeitig die Fünf-Personen-Regel einzuhalten, wurden zudem zwei Mitbewohner von Bbr. Mayr per Los bestimmt.
An der Stelle der sonst mit über 100 Personen prall gefüllten Corona stand dieses Mal eine Leinwand und gab den Anwesenden einen Einblick in den Zoom-Konferenzraum, in den die Nikolokneipe übertragen wurde. Zwei Handys auf Stativen fungierten als Kameras. Eines war auf das Präsidium und eines auf den Bierorgler gerichtet. Für die entsprechenden Kamerawechsel im Zoom-Bild sorgte unser Senior. – Wahrscheinlich war es die erste Kneipe, bei der alle Teilnehmer den Bierorgler im Großformat live bei seiner Arbeit sehen konnten. – Für die Colloquien wurden alle Teilnehmer in zufällige Kleingruppen in sog. „Break-Out-Rooms“ zusammengewürfelt und konnten sich in diesen unterhalten. Für die Kneipdisziplin war sicherlich förderlich, dass alle Teilnehmer per Mausklick aus den Kleingruppen auch wieder herausgeholt und auf stumm geschaltet werden konnten. Besonders unter steigendem Alkoholeinfluss konnte dadurch der Eindruck gewonnen werden, dass die Maus doch in gewisser Weise eine durchschlagendere Wirkung als der übliche Schläger hat.
Trotz erheblicher Bedenken kann die Veranstaltung rückwirkend sicherlich als Erfolg verbucht werden. Mit rund 80 Teilnehmern aus allen Altersklassen, vom jungen Fux bis zum Ehrenphilistersenior Bbr. Dr. Peter Motsch, und von vielen verschiedenen Orten von München bis Finnland bildete sich eine gewohnt bunte Festcorona. Neben den Familienangehörigen der Bundesbrüder, konnte auch ein Cartellbruder und ein paar Farbenschwestern die virtuelle Zusammenkunft bereichern. Da die meisten Teilnehmer schon einiges an Erfahrung mit Online-Treffen mit sich brachten, konnte die Kneipe pünktlich beginnen und in den kleineren Gruppen in den Colloquien bildete sich jeweils augenblicklich eine gelockerte und gesprächige Stimmung. Auch half dabei, dass verschiedene Bundesbrüder sich zu zweit vor der Kamera zur Kneipe versammelt hatten. Und das gemeinsame Erheben und Leeren des Glases verbindet, so durften wir erfahren, auch durch Bildschirme hindurch.
Wie bereits eingangs erwähnt, konnte dieses Mal nur leider der Nikolaus nicht kommen, weil auf unserem Gothenhaus bereits fünf Bundesbrüder versammelt waren. Um diese Lücke kreativ zu füllen, dichtete der Fuxenstall in gewohnter Manier über die Chargen. Per Live-Schaltung ins Schlafzimmer von Fux Karl Gehrig, wurde das Ergebnis zum Besten gegeben.
Im Anschluss an die Nikolokneipe wurde noch bis in die frühen Morgenstunden virtuell weiter gefeiert. Sowohl in der Dauer als auch hinsichtlich der körperlichen Verfassung einiger Teilnehmer am nächsten Tag (wie es zumindest erzählt wird), konnte die virtuelle Version sicherlich mit der traditionellen mithalten. Auch die Stimmung war gewohnt fröhlich. Der sehr gute Verlauf der Veranstaltung hat nun sicherlich die Hemmschwelle genommen eine Kneipe online stattfinden zu lassen, sofern sie vor Ort verboten ist. Dennoch bleibt die analoge Form, mit ihrem Becherklang und frohen Liedern sowie der bierseligen Atmosphäre, einem etwaigen Online-Angebot vorzuziehen.
Etwas konnte dann am Nikolowochende doch noch in (fast) gewohnter Form stattfinden: Der Gottesdienstbesuch am Sonntagmittag. Ebenfalls fast schon traditionell wurde dieser von Generalvikar Bbr. Dr. Jürgen Vorndran zelebriert. Leider fielen der Gesang in der Kirche und der anschließende Ausklang wiederum pandemiebedingt aus. Hoffen wir also auf ein Downgrade von Nikolokneipe 2.0 auf 1.0 im kommenden Jahr 2021!