„Das Gothenhaus als Gesamtkunstwerk – Der Architekt Karl Zippelius (1888-1964) und sein Werk“
Vortrag von Architekt Friedrich Staib am 14.06.2023 auf dem Gothenhaus.
Über die Entstehung unseres Verbindungshauses und vor allem über dessen Architekten Karl Zippelius (1888-1964) wissen wir Gothen leider ziemlich wenig. Darüber gibt es weder Litera-tur noch ist Quellenmaterial in größerem Umfang bekannt. So war es für mich ein Glücksfall, dass ich über die „Hetzfelder Flößerzunft“ den Architekten Friedrich Staib kennenlernte, der sich beruflich mit Zippelius und dessen Werk intensiv auseinandergesetzt hat, weil er immer wieder Villen, die von diesem erbaut wurden und von denen es in Würzburg auch noch eine stattliche Anzahl gibt, saniert hat. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee für den Vortrag am 14. Juni 2023. Friedrich Staib, dessen Büro sich in Sommerhausen befindet, ist nicht nur studierter Architekt, sondern er hat sich auch kunstgeschichtlich in die Architekturgeschichte und Fragen der Denkmalpflege eingearbeitet. Er gehört der Architekteninitiative „Moderne Klassik“ an und ist spezialisiert auf die Sanierung entsprechender Gebäude. Aktuell saniert Staib die sogenannte Kupsch-Villa, die sich nur wenige Meter entfernt vom Gothenhaus be-findet und die ebenfalls ein Werk von Karl Zippelius ist. Zippelius war vor allem in den 1920er und frühen 1930er Jahren ein in Würzburg sehr gefragter Architekt, der spezialisiert war auf Villen, Mehr- und Einfamilienhäuser. Aber auch Mietshäuser und Industriebauten finden sich in seinem Oeuvre. Unser Gothenhaus, das Zippelius 1928 bekanntlich für den jü-dischen Würzburger Bürger Max Mandelbaum (1888-1984) erbaute, gehört, so Friedrich Staib, zu den Projekten, in denen Zippelius seine Vorstellung von zeitgemäßem Bauen in be-sonders reiner Form verwirklichen konnte. Max Mandelbaum scheint seinem Architekten, des-sen Konzeption er offenbar vertraute, weitgehend freie Hand gelassen zu haben. Zippelius pflegte einen eklektizistischen Stil und verband klassische Traditionen mit der damaligen Mo-derne; im Fall der Mandelbaum-Villa fallen vor allem Stilelemente des Art déco und des Ku-bismus auf. In den wenigen Jahren, in denen der mainfränkische Gauleiter Otto Hellmuth die Mandelbaum-Villa bewohnte (1939-1945), wurde an dem Bau offenbar nur wenig verändert (zu nennen ist hier vor allem der „Florian-Geyer-Keller“), den 16. März 1945 überstand das Haus unbeschädigt. Auch unsere Verbindung hat, nachdem sie die Villa 1954 Max Mandel-baum abgekauft hatte, nur wenig in die historische Substanz eingegriffen, sieht man einmal ab vom heutigen Kneipsaal, der ursprünglich in zwei Räume aufgeteilt war. Friedrich Staib lobte mehrfach den respektvollen Umgang unserer Gothia mit der Architektur Zippelius‘, die Reno-vierungsarbeiten, die seinerzeit Bbr. Peter Motsch veranlasst hatte und unsere jüngste Fassa-densanierung fanden seine ungeteilte Zustimmung. Insofern können wir uns sehr glücklich schätzen, eine Villa zu besitzen, die keine Dutzendwaren ist, sondern ein Gesamtkunstwerk der späten 1920er Jahre. Es lohnt sich, dieses im Sinne seiner Schöpfer Karl Zippelius und Max Mandelbaum weiter zu pflegen.