Warum wir an Allerheiligen den Friedhof besuchen und unserer verstorbenen Bundesbrüder gedenken.
An Allerheiligen gedenken wir Christen grundsätzlich aller Heiligen. Die sichtbare Vergänglichkeit in der umgebenden Natur sensibilisiert den Menschen für die Vergänglichkeit der irdischen Welt. Dadurch öffnet sich der Blick auf das Leben nach dem Tod und die Heiligen als Vorbilder auf dem Weg dorthin.
Doch an Allerheiligen werden nicht nur bekannte Heilige geehrt, sondern auch unbekannte, deren Heiligkeit nur Gott sieht. Denn heilig ist und wird nicht nur, wer jederzeit vorbildlich lebt und/oder einen aufsehenerregenden Märtyrertod stirbt. Grundsätzlich ist jeder Mensch dazu berufen, heilig zu leben. Ein wenig Heiligkeit steckt in jedem, der sich für mehr Frieden, Freiheit, Menschlichkeit und Nächstenliebe einsetzt.
Ab dem 4. Jahrhundert ist ein Fest für alle Heiligen überliefert. Die frühen Christen gedachten am Sonntag nach Pfingsten aller Heiligen, denn sie waren vom Osterfest (und Pfingsten folgt immer genau 50 Tage nach Ostern) lange nicht wegzudenken. Dieser „Herrentag aller Heiligen“ geht auf Johannes Chrysostomus1 zurück. Das Leben der Heiligen wurde als Spiegel des Heilsgeschehens an Ostern verstanden.
Liturgiegeschichtlich liegt der Ursprung des Allerheiligenfestes in der Kirchweihe eines bisherigen heidnischen Tempels. Das Gebäude in Rom aus dem 2. Jahrhundert war zuvor allen Göttern des Heidentums geweiht. Diese Kirchweihe fand wahrscheinlich im Jahr 609 statt. Dieser heidnische Tempel ist in Rom bis heute erhalten und uns besser unter dem Namen „Pantheon“ bekannt, also gebaut und gewidmet allen Göttern des Heidentums zur Ehre (von griechisch pan „all“, „gesamt“, und theós „Gott“). Seit der Kirchweihe trägt das Gebäude den Titel: „Maria, Königin aller Märtyrer“. Papst Bonifatius IV. ordnete eine jährliche Feier am Freitag nach Ostern an.
Ab dem 8. Jahrhundert verblasst der Zusammenhang von Ostern und dem „Herrentag aller Heiligen“ allmählich, sodass er zunächst in Irland am 1. November gefeiert wurde. Im Vordergrund stand nicht mehr das Osterfest, sondern die vergehende Natur: Anfang November begann in Irland laut Kalender der Winter und das neue Jahr. Irische Missionare brachten das neue Allerheiligenfest im 9. Jahrhundert auf den Kontinent. Der Termin von Allerheiligen passt auch deshalb in den Totenmonat November, weil sich der lebende Christ durch Jesus Christus mit den Toten verbunden weiß. Die sichtbare Vergänglichkeit in der umgebenden Natur sensibilisiert den Menschen für die Vergänglichkeit der irdischen Welt. Dadurch öffnet sich der Blick auf das Leben nach dem Tod und die Vorbilder dorthin: alle Heiligen.
Im Jahr 835 setzt Papst Gregor IV. das Fest offiziell im Kalender fest. Die Kirche gedenkt an diesem Tag nicht nur der vom Papst heilig gesprochenen Frauen und Männer. An Allerheiligen wird auch jener Menschen gedacht, die ihren Glauben still gelebt und ihr Christsein konsequent verwirklicht haben.
Aus dem weiten Verständnis von Heiligkeit passt die Einführung des Festes Allerseelen am Tag nach dem Allerheiligenfest. Von Abt Odilo von Cluny2 zunächst im Jahr 998 in den ihm unterstellten Klöstern eingeführt, dient der Allerseelentag heute in der ganzen katholischen Kirche der Fürbitte nach Vollendung der Verstorbenen bei Gott.
Über viele Jahrhunderte haben sich die Gläubigen damit befasst, wie sie den Verstorbenen bei der endgültigen Erlösung helfen können. Vor allem durch „gute Werke“ an den armen Menschen im Diesseits wollte man den Seelen im Jenseits helfen.
Es ist ein alter und guter Brauch, anlässlich von Allerseelen die Gräber der Verstorbenen aufzusuchen. Auch wir versammeln uns Jahr für Jahr an den Gräbern unserer verstorbenen Bundesbrüder und legen dort Kränze nieder. Denn als Christen wissen wir uns mit den Verstorbenen verbunden, von denen und für die wir hoffen, dass sie durch Christus erlöst sind und ihr Leben bei Gott führen.
Das Doppelfest Allerheiligen und Allerseelen soll uns Christen an die Lehre vom Fegefeuer erinnern. Das Bild des Fegefeuers geht unter anderem auf das Konzil von Trient zurück. Dahinter steht der Gedanke, dass alle Menschen Fehler und Sünden gemacht haben. Da von Gott beim Endgericht ein gerechtes Urteil über das Leben erwartet wird, dient das Fegefeuer als Zeit und Ort der Buße, bevor die Seele in den Himmel kommt. Das Fegefeuer ist also keineswegs mit der Hölle zu verwechseln. Wir Christen sind – wie an jedem anderen Tag auch – angehalten, den Verstorbenen durch Gebet, Fasten und Buße zu helfen. Durch diese Fürsprache verkürzt sich die Zeit im Fegefeuer.
Wir Christen gedenken der Toten, weil sie leben, nicht damit sie leben. Der Kirche als Erinnerungsgemeinschaft geht es darum, den einzelnen Menschen nicht einfach nur technisch zu „entsorgen“, sondern ihn würdig zu bestatten und im Gedächtnis zu behalten.
Wenn wir als Verbindung uns an Allerheiligen versammeln, feiern wir zunächst die freudvoll gestimmte Messe des Hochfestes – in diesem Semester besuchten wir die Gemeindemesse der Mariannhiller Missionare um 9 Uhr. Anschließend besuchen wir – quasi in Vorwegnahme des Tages Allerseelen am 2.11., der aber kein gesetzlicher Feiertag ist, stellvertretend für alle Gräber von Bundesbrüdern, das Gothengrab und die Gräber derjenigen Bundesbrüder, die auf dem Würzburger Hauptfriedhof bestattet sind, und gedenken ihrer.
Zum Gedenken an die verstorbenen Bundesbrüder des vergangenen Jahres wird im Anschluss an den Gräbergang eine Trauerkneipe geschlagen. Die Trauerkneipe und die gewöhnliche Kneipe unterscheiden sich in Anlass, Stimmung und Dauer grundlegend voneinander, sind aber durch wesentliche Aspekte wie Raum, Textilien, Teilnehmer, Gemäße und weitere Elemente untrennbar miteinander verbunden. Eine Kneipe trägt heute sicher nur einen kleinen Teil zur Bildung des Gemeinschaftsgefühls bei, verleiht diesem aber Ausdruck. Am gleichen Ort ist die Trauerkneipe Zeichen des Abschieds, aber auch der Dankbarkeit.
“ Alle Gläser sind leer, nur eines ist voll.
Der es trank, ist nicht mehr.
Höre es, toter Bundesbruder, ich trinke Dir das letzte Glas.
Wie Dein Leben zerbrochen ist, so zerbreche dieses Glas.
Wie Dein Leben verloschen ist, so verlösche dieses Licht.
Im Reiche des Lichts sehen wir uns wieder. “
Aus dem Trauerkneipenritus
Die Trauerkneipe ist im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten der letzte Abschied, für einen verstorbenen Bundesbruder, zu der alle Verbindungsmitglieder, womöglich auch die Verwandten und näheren Freunde des Verstorbenen, eingeladen werden können. Sie findet dem Charakter der Feier entsprechend in feierlichem Halbdunkel statt. Die Bundesbrüder erscheinen dunkel gekleidet, mit schwarz umflortem Band und Mütze. Vor dem Präsidium steht eine brennende Kerze und ein Stuhl bleibt frei, der symbolisch für den Platz des toten Bruders steht. Vor dem leeren Stuhl steht ein volles Glas. Ein letztes Mal wird für die Verstorbenen ein Salamander gerieben – ein Trauersalamander, der die ernste Stimmung aufnimmt und auf das Schlagen mit den Gemäßen verzichtet: Die anwesenden Bundesbrüder erheben ihre Gläser und trinken dem verstorbenen Bundesbruder das letzte Gemäß zu. Die Trauerkneipe ist der letzte Gruß und das stille Gedenken für eine treuen Freund, einen lieben Bruder, einen langjährigen Weggefährten. Ein Dank, der nicht verhallt und der nicht allein gesprochen werden muss. Als Gemeinschaft sind wir versammelt und zusammen rufen wir aus
Fiducit, toter Bruder!
Quellen:
Vgl. https://www.erzabtei-beuron.de/schott/register/proprium.alph/schott_anz/index. html?file=proprium/November01.htm. In der griechisch-orthodoxen Kirche hat sich dieser Festtermin bis heute erhalten.
https://www.erzabtei-beuron.de/schott/register/proprium.alph/schott_anz/index.html?file=proprium/ November02.htm